*2011/2012 Versiegelung der Hafenbecken, Performance: Klappakademie; „Toter Mann, tote Frau“
Christoph Wiesmayr und Bernhard Gilli haben sich in Ihrer 2010 verfassten Architektur-Diplomarbeit [Schwemmland] dem alten und neuen „Schwemmland“ im Linzer Osten gewidmet – und sich in einer methodischen Mischung den städtischen Randzonen, der Stadt- und Wirtschaftsgeschichte, der Zurückdrängung der Donau und den vielfältigen Zwischenräumen einer Stadt zugewandt, die sich fein säuberlich von ihrem Fluss getrennt hat.
>>gesamter Artikel von Tanja Brandmayr zur Diplmomarbeit SCHWEMMLAND; in: SPOsZ/09/2013
>>Die Diplomarbeit ist an der Universitätsbibliothek der Kunstuniversität Linz und an der TU-Graz entlehnbar.
Im Schwemmland. Im Sinne der beiden Autoren ist der Arbeitstitel [Schwemmland] ein Transformationsbegriff, der im sehr weit gefassten Sinn für Veränderung steht: In vielen Benennungen steht der Linzer Osten für eine in ständiger Sukzession befindliche Zone, die von der einstigen Aulandschaft mit agrarischer Bewirtschaftung zum wirtschaftlich-industriellen Herz der Stadt geworden ist. Der Name [Schwemmland] wurde dabei von Christoph Wiesmayr und Bernhard Gilli zum ersten Mal im Rahmen eines singulär veranstalteten „Rurban Workshops“ 2008 verwendet, der bereits damals den Blick auf die unbeachteten Rand- und Zwischenzonen von Stadt, Land und Fluss lenken sollte. Beziehungsweise dorthin, wo der landschaftsgestaltende Hauptakteur nicht mehr der Fluss, sondern der Mensch mit seiner Industrie geworden ist. Denn im Gegenzug zum ehemaligen Überschwemmungsgebiet der Donau ist, mit den Autoren gesprochen, ein neues „wirtschaftliches Schwemmland“ aus Industrie, Handel, Verkehr und Personenströmen entstanden – inklusive städtischer Energie- und Abfallwirtschaft, die in stetiger Frequenz die Konsumgüter anschwemmt.
Ruderales Industriegebiet. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass im Osten der Stadt die Eingriffe massiv waren, über lange Jahrzehnte, und dass es sich um eine hochaufgeschichtete, hochregulierte, hochversiegelte Zone handelt, die unter enormen wirtschaftlichen Druck steht. Noch immer gibt es z. B. das „Verdachtsflächenkataster“, das die Altlasten der Vergangenheit verwaltet, wie Wiesmayr zu Beginn des Rundgangs erläutert. Dann gehen wir durch Industriezonen und Aulandschaft, die eigentlich wild überwucherte Industrielandschaft ist, zur Donau und entlang des Donaudammes wieder zurück. Es ließe sich mannigfaltig Interessantes erzählen, von neu eingezogenen Pflanzen und Tieren in den Industriezonen, von mittlerweile quasi-asiatischen Donaumuscheln bis zu den essbaren, aber unabsichtlich eingeschwemmten, alles verdrängenden amerikanischen Signalkrebsen in der Traun, vom Freizeitangebot für LinzerInnen bis hin zu Menschen, die bewusst über längere Phasen an der Donau leben wollen, hier zumindest zeitweise „aussteigen“. Oder wo sich, im Jargon der Arbeit gesprochen, anderwärtige „ruderale Nischen“ oder „Zeitfenster“ auftun, gewöhnliche, ungewöhnliche – nicht selten von der Zentrumsgesellschaft als problemhaft empfunden oder tatsächlich tragisch; oder zumindest mit melancholischen Nuancen des Verschwindens versehen. Hierzu wurden von den Autoren 17 „Rurbane Nischen-Karten“ ausgearbeitet, mit den drei Kategorien: „Ruderale Phänomene“, „Individuelle Raumaneignungen“ und eben „Zeitfenster“. Die aufmerksam systematisierte Arbeit [Schwemmland] ist hier imstande, genaue Auskunft zu geben über angestellte Beobachtungen, zusammengetragene Fakten, nachgestellte Spuren, Geschichte und Geschichten, strukturelle Zusammenhänge, atmosphärische Annäherungen, Stadtidentisches, undundund.
mit Schulklassen SCHWEMMLAND entdecken
Rurbane Nischen.
Sie sind sozusagen das Destillat der Diplomarbeit und finden als Nischenkartenkanon Verwendung bei Wiesmayrs geführten Touren durch das Hafengebiet.
Weiters wird aktuell erforscht in wie weit diese Nischen einen Einfluss auf das Stadtklima, bzw. dessen Erhalt einen wichtigen Einfluß zur Klimawandelanpassungsstrategie der Stadt hat.
„Nischenmapping“ Diplomarbeit Wiesmayr/Gilli, 2010
Die Nischenkarten dienen der Spurensicherung. Sie zeugen von einem flüchtigen Moment in dieser ständig in Veränderung begriffenen Landschaft, von „einem Flügelschlag“ im fortschreitenden Tempo der Moderne. Die Karten belegen die aktuelle Befindlichkeit der [Rurbanen Nische] zum Zeitpunkt ihrer Kartographierung.
Sie sind – ähnlich Jackson Pollocks Flecken und Farbtupfer – Abbilder der Ereignisse der lebendigen, laufend neu geschaffenen und sich verändernden Welt. Es ist schwierig einer diktierenden Wertegesellschaft etwas „anderes“ entgegenzuhalten, noch dazu wenn dieses Andere aus Flüchtigem besteht. Mit der Dokumentation dieser Momente sprechen wir hier ein klares STOP aus!
Gegen weitere uneingeschränkte Versiegelung dieses Gebiets, gegen den Verlust der nur scheinbar weißen Flächen und „blinden Flecken“ in der Landschaft. Wir
versuchen diesen Räumen einen latenten Wert beizumessen. Wir weisen darauf hin, dass hier etwas Verborgen ist und niemand soll behaupten er hätte es nicht
gewusst. Die Nischenkarten sind ein Beweis für eine lebendige Vielfalt, sie machen uns bewusst, was hier ist – Einmaliges, Unwiederbringliches, Vergängliches.
„Nischenkarte“ Diplomarbeit Wiesmayr/Gilli, 2010
„Nischenmodell“ Diplomarbeit Wiesmayr/Gilli, 2010